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Die Türme von Angkor Wat im Gegenlicht, davor der Wassergraben.

Angkor Wat hatten wir uns dschungeliger vorgestellt. Bei mehreren Millionen Touristen im Jahr war uns klar, dass man sich den Weg zu den Sehenswürdigkeiten kaum würde mit der Machete schlagen müssen, aber ein bisschen mehr à la “Indiana Jones und der Tempel des Todes” oder “Lara Croft” hätte es schon sein können. Den riesigen Angkor Archaelogical Park muss man sich hingegen eher wie einen amerikanischen Nationalpark vorstellen, abzüglich Geländer und Toiletten.

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Phnom Bakheng: Alle wollen von hier den Sonnenuntergang sehen, aber nur 300 Leute dürfen rauf. Und 600 Touristen stehen Schlange; weitere Herandrängende ahnen, dass es dunkel sein wird, bevor sie an der Reihe wären.

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Die grün gekleideten Frauen bringen ihre Kinder mit zur Gartenarbeit.

Man klettert wirklich ungeschützt auf Ruinen herum, in großer Höhe, auf schmalen Absätzen ohne Seile. Wie man da überhaupt hochkommen soll, fragt man sich fast jedes Mal. Die historischen Steinstufen sind so schmal, dass man den Fuß knapp seitlich aufsetzen kann, und so hoch, dass die Kniegelenke knirschen. Wenn man oben steht, muss man sich kurz überwinden, wieder runterzusteigen. Das ist immer ein wenig unterschiedlich, manchmal ist es auch einfach nur brutal steil und hoch, aber immer anstrengend. Die Besuchszeit der Tempel ist von 5:30 bis 5:30 Uhr – von vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Wir versuchen, bis kurz nach sieben Uhr morgens dort zu sein. Bis zehn Uhr ist es in der Regel vom Licht her am Schönsten, danach wird es dann heiß, und ab elf Uhr wäre man lieber im Hotel mit Klimaanlage als beim Fitnesstraining.

Innerhalb von Angkor Wat, der Hauptattraktion, gibt es in den Gebäuden hohe Schwellen, die mit Holzstufen überbaut wurden. Man geht sechs Schritte, dann drei Stufen hoch, drei herunter, dann vier Schritten, drei Stufen hoch und runter, zehn Schritte, Stufen hoch und runter. Bald darauf ist man dann garantiert wieder an einer steilen, sehr hohen Treppe angelangt. Fitness-Parcours, oder?

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Ein Beispiel für die hohen, steilen Treppen, die herunter noch schwieriger zu bewältigen sind als hoch.
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Das sieht zwar so aus, als würde der Mann unten den Turm mit der Schnur festhalten, aber diese ist die „Sicherheitsleine“ für einen Kollegen, der darauf herumturnt, um die Gräser abzuschneiden.

Die Beförderung mittels Tuk-Tuk oder Remork, wie es hier eigentlich heißt, ist ganz praktisch. Das sind, wie wahrscheinlich jeder weiß, Motorräder mit Anhängern, in denen man sitzen kann. Sehr luftige Angelegenheit, morgens aber auch unangenehm kalt, wenn man keine Jacke dabei hat. Die Straßen sind sehr holperig und oft auch einfach Staubstraßen. Jedenfalls werden einem Eingeweide und Hirn mächtig durchgeschüttelt, und unglaublich eingestaubt ist man auch. Entscheidend ist, einen Fahrer zu finden, der leidlich Englisch versteht, daher behält man diesen dann am besten für die Zeit der Ruinentouren. Zudem hat es ein wenig gedauert, dem etablierten System zu entrinnen, das eine kleine Tour und eine große Tour vorsieht. Mein Gatte wollte aber nicht klein oder groß, sondern mit den frühesten Tempeln anfangen, wobei dann die Hauptattraktion Angkor Wat eben nicht am Anfang, sondern erst später angesehen werden sollte. Da ist man dann froh, wenn am dritten Tag der Fahrer, unserer hieß Sokhy Kheurn, klein beigibt. Er ist gelernter Bartender und hatte Wasser für uns gute Kunden im Kühlbehälter dabei. Drinks gab es aber keine, um diese Frage vorwegzunehmen.

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Beispiel für die Wege, auf denen man sich per Tuk-Tuk durch den Park bewegt, den roten Sand und die Händler am Straßenrand.
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Ein Motiv im Stil klassischer Magazinfotografie: Mönch vor Steingesicht.

Und fotografisch? Ein Klient hatte mir vorher schon erzählt, er habe aus Verlegenheit die anderen Touristen fotografiert, wie sie sich selbst fotografieren. Da dachte ich noch: Das kann es ja nicht sein, es findet sich bestimmt ein interessanteres Thema. Aber nach der Autopsie muss ich zugeben: Nicht für mich. Das Abfotografieren von Wandreliefs erscheint mir sinnlos. Das ein oder andere Ruinenbild zur Erinnerung oder für die heimische Wand ist ganz nett, aber fotografisch ergiebig ist (aus meiner Sicht) Angkor Wat beziehungsweise der gesamte Park nicht. Es ist eine der tollsten Sehenswürdigkeiten der Welt – gut zum Gucken und für Selfies, aber nicht unbedingt für anspruchsvolle Fotonerds.
Keinesfalls verpassen sollte man als Besucher Banteay Srei, ca. 30 km außerhalb, denn zum einen ist die Ornamentik am Feinsten, zum anderen verwunderlicherweise die Anlage drumherum am Modernsten (Toiletten!). Sieht am Schönsten im warmen Licht des Spätnachmittags aus.

Wir waren fünf Tage in Angkor, gründlich gucken mit einem Eintrittspass für satte 60 US-Dollar pro Person; drei Tage sollte man auf jeden Fall investieren. Und wenn man das Pferd mit den fünf Köpfen nicht gesehen hat, war man nicht gründlich.

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Klein, aber wirklich fein: Bantrey Srei lohnt den weiten Weg. (Mein Rat: PKW mit Fahrer ist bequemer und schneller als ein Tuk-Tuk).
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Das Pferd mit den fünf Köpfen befindet sich in einem etwas versteckten Gang in der Elefanten-Terrasse. Dort sind die Reliefs besonders gut erhalten.

Kurzer Ton-Bonustrack für alle, die bis hierher meinem Reisetagebuch gefolgt sind:

Bisherige Reisestationen:
1. Phnom Penh
2. Die Villen-Ruinen von Kep
3. Sihanoukville
4. Kampot Pfeffer