Bestehen in der Bilderflut II

Über Geduld und das Verlangen nach Schönem

Wie viele mag ich am Fotografieren, schnell ein Ergebnis zu haben. Ich bin nämlich eher ungeduldig. Je länger ich jedoch über Fotografie schreibend nachdenke, desto klarer wird mir, dass Geduld zum Gelingen ungeheuer beiträgt. Die zeitliche Dauer, die man in eine fotografische Arbeit investiert, zahlt sich aus. Das kann die von mir sehr wertgeschätzte Fotografie mit der Großbildkamera sein, bei der der Akt des Fotografierens selbst von zeitlicher Dauer ist. Das kann aber auch ein langer Zeitraum sein, in dem man an einem Thema recherchiert und fotografiert. Geduld ermöglicht ein tieferes Eintauchen in das, was man in den Fokus nimmt. Das sieht man stets dem Ergebnis an.

Das schöne Bild muss kein Klischeebild sein

Bisher ging es mir in erster Linie darum, auf die Notwendigkeit eines Bildinhaltes hinzuweisen. Speziell in der Hobbyfotografie, bei der nicht auf einen Verwendungszweck hin fotografiert wird, führt die Bildaussage ein Schattendasein. Da geht es ausschließlich um das schöne Bild, das immer technisch perfekt ausgeführt und grafisch nach den Standardregeln aufgebaut ist. In der angewandten Fotografie findet man es als Kalenderbild oder in der Reisefotografie. Da ist schlichtweg das gängige Ideal vom schönen Bild das verkäufliche und damit das richtige.
Als Kontrapunkt zum kommerziellen schönen Bild gibt es in den letzten Jahren vermehrt das beispielsweise aus den Kunsthochschulen kommende Dekonstruieren ästhetischer Gewohnheiten und den aus der Modefotografie von Terry Richardson ausgehenden rough & dirty-Look.
Mit Geduld gemachte Fotografien, die etwas aussagen und dabei schön anzusehen sind, werden immer seltener. Das liegt wohl weniger an einer Ablehnung des Schönen durch die Fotografen, sondern mehr an drastischen Veränderungen unserer westlichen Welt. Sie ist in diesem Jahrhundert deutlich weniger fotogen geworden.

Das unfotogene 21. Jahrhundert?

Man erinnere sich an die Fotoklassiker, die auf der Straße fotografiert haben. Stellen wir uns Henri Cartier-Bressons Fotografien vor mit Personen, die übergewichtig sind, buntbedruckte bequeme Kleidung samt Sneakers tragen und auf ein Smartphonedisplay schauen! Selbst wenn wir uns das schwarzweiß imaginieren, wird es schwierig, sich das schönzugucken. Schlanke Männer in Anzügen wirken – vor allem schwarzweiß – als elegantes und eher diskretes Bildelement.
Mir scheint, es wird zunehmend schwieriger, fotogene Themen jenseits des Klischees und diesseits von Entwicklungsländern zu finden. Armut und Leiden fotografieren sich gut. Das sollte man aber den dafür ausgebildeten Fotojournalisten überlassen.
Was bleibt? Architektur natürlich. Bei Landschaft richtet sich das Bestreben dann wieder allzuleicht auf das Naheliegende, die schöne Lichtstimmung (ohne inhaltliche Relevanz). Eine probate Lösung ist, Männer in Arbeitskleidung abzulichten.

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Luis Fabini: Amerikas Cowboys

Luis Fabini (geb. 1965 in Uruguay, lebt in New York) hat mehr als ein Jahrzehnt immer wieder mit Cowboys auf dem amerikanischen Kontinent ihren kargen Alltag geteilt. Er vermied Klischees aus der Tabakwerbung und schuf Bilder, auf denen man gerne den Blick verweilen lässt und die den Betrachter hineinziehen in die Szenen. Besonders beeindruckend sind die in sich ruhenden Porträts.
Er vermittelt uns die raue Lebenswirklichkeit dieser Männer, die noch heute in den Weiten des amerikanischen Kontinents auf ihren Pferden das Vieh über Hochebenen, Prärien oder durch Sumpflandschaften treiben.

Nach zahlreichen Bechern Mate mit Luis Alberto frage ich ihn: „Wer ist der Gaucho?“ Er schweigt lange, dann sagt er: „Der Gaucho ist das Land unter seinen Füßen.“ Ich verstehe ihn auf Anhieb: Ein Mann wird dem ähnlich, was er tut, und dem Ort, an dem er lebt.

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Edison, Francisco de Assis und Dominguez, Brejo Santo, Brasilien ©2016 Luis Fabini. Aus: Amerikas Cowboys. Von den Prärien Nordamerikas bis in das Hochland der Anden, Sieveking Verlag 2016
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Zé do Mestre, Serrita, Brasilien © 2016 Luis Fabini
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Cerro Largo, Uruguay © 2016 Luis Fabini

Amerikas Cowboys: Von den Prärien Nordamerikas bis in das Hochland der Anden
Text von Wade Davis / Fotos von Luis Fabini. Aus dem Englischen von Philip Laubach-Kiani
Sieveking Verlag, 2016
31,75 x 25,40 cm | 156 S. | 107 Abb. Hardcover mit Schutzumschlag, 49,90 €
ISBN 978-3-944874-51-7 (Deutsch)
Ein Bildband, den ich zum idealen Weihnachtsgeschenk erkläre, für alle, die es nach Südamerika zieht, die naturverbunden sind, und natürlich für jene, die schöne Bilder mit Aussage mögen.

Beitragsbild: Arturo Ibarra im Finale der National Charro Championship, Guadalajara, Mexiko © 2016 Luis Fabini