Gleiche Chancen für alle Fotografierenden

Vorwort zu: „Wie man ein großartiger Fotograf wird – Wegweiser in eine Fotopraxis mit Zukunft“. Das erste Fotofeinkost-Buch ist leider nicht mehr lieferbar.

In der Fotografie dreht sich viel um die Entwicklung neuer Kameramodelle und den Vergleich ihrer Leistungsfähigkeit. In diesem Buch geht es stattdessen um die Entwicklung des Fotografierenden, um fotografische Arbeitsweisen, die dem Kamerabesitzer ungeheure Möglichkeiten eröffnen, aber auch um solche, die in eine Sackgasse führen. Es ist wichtig, sich klarzumachen, was Fotografie heute bedeutet – und nicht weiter überholten Mustern aus dem vergangenen Jahrhundert zu folgen. So stammt zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Amateur und Profi noch aus den Zeiten der Handwerksverordnung. Heute ist als Unterscheidung wichtiger, ob man die Fotografie kommerziell, also als Dienstleister, oder frei, also als Hobbyist oder Künstler, ausübt.

Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts veränderte sich die Situation der Fotografie grundlegend – durch digitale Technologien und das Internet. Fotografisches Fachwissen ist heute frei verfügbar und der Bildermarkt durch die weltweite Zugänglichkeit für Jedermann demokratisiert. Da an jedem Ort zu jeder Zeit Menschen fotografieren und diese Fotos online verfügbar machen können, leben wir in einem Zeitalter der Augenzeugenschaft. Die digitale Präsenz von Informationen führt zu einem starken Schrumpfen der klassischen Erwerbsbereiche von Fotografen, die sich im 20. Jahrhundert ausschließlich auf die Print-Medien bezogen: Reportage-, Editorial-, Mode-, Werbefotografie.
War und ist für den Druck das Stehbild nach wie vor zwingend, gewinnen „moving stills“, bewegte Bilder, in digitalen Publikationen rasch an Bedeutung. Diese weit reichenden Veränderungsprozesse zwingen dazu, die fotografische Praxis zu überdenken. Das gilt insbesondere für alle, die sich weiter entwickeln wollen, die Fotografie studieren oder als Beruf ausüben (möchten). Sich jetzt noch an den Ideen und fotografischen Idealen des vergangenen Jahrhunderts zu orientieren, wäre für sie besonders fatal.

Die gute Nachricht ist: Jeder überall auf der Welt hat heute die Chance, sich zu einem großartigen Fotografen zu entwickeln – und als solcher auch entdeckt zu werden. Man muss jedoch wissen, worauf es in der Fotografie ankommt. Und eben darüber sind irrige, weil überholte Ansichten vorherrschend. Auf viele sich aufdrängende Fragen gibt es in diesem Band nicht immer angenehme, aber klare, hilfreiche Antworten. Natürlich kann niemand die Zukunft voraussagen. Es ist aber durchaus möglich, Tendenzen zu erkennen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Mit einer gewissen Atemlosigkeit hastet der Fotografierende den Neuheiten  der Fotoindustrie hinterher, getrieben von der Idee technischer Perfektionierung. Dieses Buch möchte erreichen, dass Sie innehalten und sich mit den Fotos statt mit der Kamera befassen; dass Sie sich überlegen, welche Arbeitsweise zu Ihnen passt statt zu Ihrer Ausrüstung, und dass Sie, statt immer wieder das Equipment auszutauschen, anfangen, interessantere Fotos zu machen. Fotografieren ist ein Abenteuer und zwar im Idealfall ein ganz und gar individuelles. Was ich hier erkläre ist also nicht, was und wie man dieses fotografieren soll, sondern wie man sich einen Rahmen schafft, in dem man auf einem völlig anderen Niveau fotografieren kann. Die Voraussetzung, um so zu fotografieren, dass man selbst damit glücklich wird und anderen etwas Neues zeigt, ist nicht eine besonders kostspielige Kameraausrüstung, sondern, dass man etwas zu zeigen und zu sagen hat.Etwas über die Struktur fotografischer Arbeit zu wissen, eröffnet jedem eine bessere Chance, ein großartiger Fotograf oder eine großartige Fotografin zu werden.

Der fotografischen Praxis theoretisch auf die Spur zu kommen, war mir schon immer ein Anliegen. Bereits meine Diplomarbeit handelte von der Amateurfotografie als Ausdrucksmittel und Wirklichkeitserfassung“. 1987 erschien mein erstes Buch, „Die Autonomisierung der Fotografie“, für das ich mehrstündige Interviews mit freien Fotografen geführt und deren Arbeitsweise untersucht hatte. Das freie Fotoprojekt ist, so viel war mir klar, der Königsweg, sich als Fotograf zu entwickeln und zu etablieren. Seitdem habe ich mit einigen hundert Fotografen gearbeitet. Dabei hat sich immer wieder bestätigt, wie wichtig die Arbeit an Serien ist.

Die Anleitungen in diesem Band sind eine gute Möglichkeit, zu testen, ob der eigene Enthusiasmus fürs Fotografieren – fürs Fotostudium, für den Fotografenberuf
– groß genug ist, bevor weit reichende Entscheidungen hinsichtlich Ausbildung oder Jobwechsel getroffen werden. Nicht-kommerzielle Fotoprojekte sind eine tolle Erfahrung für jeden Fotografierenden, in jedem Alter. Es ist verblüffend, festzustellen, dass die Grenzen, die man sich selbst auferlegte, ganz leicht überwunden werden können und man viel bessere Fotos macht.

Um zu zeigen: „Seht her, es geht ganz leicht“, ist dieses Buch mit eigenem Fotomaterial illustriert und berichtet über die Durchführung von Projekten aus erster Hand. „Wie man ein großartiger Fotograf wird“ soll animieren, sich das zu gönnen, was mit Fotografie so oft verbunden und so selten eingelöst wird: Die Freiheit, sich zu verwirklichen, und das schöne Gefühl, etwas erkannt und erreicht zu haben. Das gelingt nur selten bei der „Motivsuche“, sehr oft jedoch durch ein kleineres oder größeres Fotoprojekt. Statt ziellos durch die Realität zu knipsen, schafft man sich einen Rahmen, setzt Anfang, Mitte und Ende. Statt Motive zu suchen, findet man sie. Statt Fotos zu machen, wie es sie bereits im Überfluss gibt, fotografiert man das, wozu es einen persönlichen Bezug gibt, womit man sich auskennt, worin man sich einfühlen kann. So entstehen Unikate. Wer etwas zu sehen und mitzuteilen hat, wird auch Aufmerksamkeit bekommen. Aus dem intensiven persönlichen Erleben, das oft erfordert, die eigenen Grenzen auszuloten, entstehen Fotografien, wie sie geschätzt und gesucht werden, Bilder, die auch in Zukunft gebraucht werden – ob still oder bewegt.

Paul Foster von Getty Images sagte im August 2009:
„Es gibt ein Überangebot einer bestimmten Art von Bild, das bislang als gut genug eingeschätzt wurde. Aber es gibt einen Mangel an wirklich unverwechselbaren
Bildern. Diese unverwechselbare Fotografie wird sich durchsetzen.“
Und in „Wie man ein großartiger Fotograf wird“ steht, wie man sie macht. Jetzt!

25 Antworten

  1. Das liest sich sehr vielversprechend!
    Das Zitat ist prima und ich hab‘ auch noch eins, das immer wieder sehr passend ist:

    „Read a lot and create your own universe. Learn how to construct and create a series. Do not be impressed by other works. Try to innovate or simply to be yourself.“

    Lisa Sarfati, Magnum Photos

    Es grüßt
    direkt aus Rüsselsheim
    Mario

  2. Ich bin ebenfalls sehr gespannt auf das Buch und freue mich darauf. Ich hoffe, es hält, was es verspricht, die Fotografie aus dem inhaltlichen Ansatz heraus zu betrachten. Fotobücher über Formalitäten gibt es genug. Als Leser dieses Blogs mache ich mir aber keine Sorgen darüber, enttäuscht zu werden.

  3. Super Sache – Schon bestellt. Titel und Ankündigung wecken hohe Erwartungen in mir.

    Ich gelobe, das Buch so schnell wie nur möglich zu lesen und dann gibt es – wie immer – eine ausführliche Rezension in meinem Blog.

    Wer also erst „lesen lassen will“ bevor er kauft, darf so ca. eine Woche nach Auslieferung bei mir vorbeischauen.

    Passt auch sehr gut, denn im Dezember haben wir hier am Polarkreis nicht soo fürchterlich viel Tageslicht. Dafür aber umso mehr Zeit zum lesen 🙂

  4. Im Vorwort stehen viele Wahrheiten. Als kommerzieller Fotograf habe ich das ständige Wettrüsten der Photohardware auch satt, trotzdem ist es leider so:
    Wer die bessere Technik hat, ist bei vielen Aufträgen, bei denen es weniger um den kreativen Bildinhalt, sondern um die technische Perfektion geht, vorne.
    Welche Bildagentur akzeptiert heute noch Bildmaterial unter
    10 Mio. Pixel, auch wenn der Bildinhalt genial ist ?

  5. Das hört sich sehr vielversprechend an. Allein wegen diesem Satz „sich mit den Fotos statt mit der Kamera befassen“ werde ich das Buch schon kaufen.

    Ich bin gespannt und freu mich drauf!

  6. Hallöchen,
    klingt super! Habe bei Martin die Rezession gelesen und ich werde es definitiv bestellen, wenn es bei amazon erhältlich ist 🙂

  7. Ist wirklich kein Neid, aber ich hab noch nie einen Doktortitel bei einem Autorennamen auf einem Buchtitel gesehen…

    1. Na ja, es gibt viele Bücher von Dr. Oetker. Aber im Ernst, das war auch eine lange Diskussion, denn als Akademiker lässt man den Titel auf (wissenschaftlichen) Büchern weg, aber da der Titel Teil des Namens ist und Teil der „Marke“ (siehe Online-Magazin: Dr. Martina Mettners Fotofeinkost), habe ich mich überzeugen lassen, ihn auch hier zu verwenden. Bei meinen Romanen natürlich nicht, und auch nicht in der offiziellen bibliografischen Angabe (siehe „Presse“-Seite).

  8. Das Vorwort ist gelungen, meine Neugier geweckt und das Buch bereits bestellt. Es wird eines der schönsten eigenen Weihnachtsgeschenke.

    viele grüße und ein frohes fest

  9. Heute war das Buch in meiner Post und ich bin begeistert.
    Vielen lieben Dank !!!!
    Ich habe es förmlich verschlungen und werde mir vieles zu Herzen nehmen. Ich habe mir bereits ein paar Notizen gemacht und werde diese dann auch in einem Blogeintrag verarbeiten.
    Ich kann es auch nur jedem wärmstens ans Herz legen … absolut empfehlenswert.

    Liebe Grüße
    anjuzi

  10. In unseren Workshop sind wir immer wieder mit Bildern konfrontiert, bei denen man sich fragt „Hmm, worum ging es dem Fotografen oder der Fotografin da jetzt genau“ Es ist wirklich erstaunlich, die Masse der Fotografierenden hat überhaupt keine Ahnung warum Sie denn Fotos machen und überlegt schon gar nicht vor dem Fotografieren.

    Gerade das Thema neue Fototechnik ist immer etwas, dass unsere Teilnehmer beschäftigt – für mich ist es immer erstaunlich was die Leute so alles glauben aus der Werbung und nichts hinterfragen.

    Das Vorwort trifft vieles, dass mir in letzter Zeit so durch den Kopf gegangen ist aber irgendwie nicht den richtigen Weg aus meinem Kopf gefunden hat.

    Das Buch ist bestellt , wobei ich mit Erwartungen immer vorsichtig bin ;.-) , aber selbst der Inhalt des Vorworts ist schon eine Bereicherung für meine weitere Arbeit ..

    Ein frohes Fest ..

    Herbert Köppel

  11. Ein ganz hervorragendes Buch, ich habe es mir aufgrund der Empfehlung von Martin Gommel vom „Weihnachtsmann“ gewünscht 😉 Die Hälfte habe ich schon verschlungen und musste zeitweise über einige Passagen, in denen ich mich selbst wiedererkannte, schmunzeln. Dieses Buch ist Pflichtlektüre für jeden der ausbrechen möchte. Für mich ist es ein Juwel, der einem Mut macht den eigenen Stil zu verwirklichen, das zu realisieren wo zu man Lust hat und weiter über seine Motivwahl nachzudenken. Danke 🙂

    Ein schönes, gesundes, lebhaftes und kreatives Neues Jahr

    Bert Engelmann

  12. Ich habe schon viele Bücher gelesen und ich bin immer noch auf der Suche nach neuem Material, ich werde dieses Buch auch mit Sicherheit lesen obwohl ich jetzt schon weiß dass es für mich keine Lösung mitbringt den dadurch werde ich auch kein „großartiger Fotograf“. Mag sein dass ich mich darin auch wiedererkenne denn ich gehöre zu den „Wettrüstern“ und ich muss sagen es hat mit sehr geholfen das neueste Equipment zu besitzen denn ich bin dadurch zu der Erkenntnis gekommen dass wenn die Bilder nicht so gelingen wie ich es mir vorgestellt habe dann liegt es mit Sicherheit nicht an der Technik sondern an mir, und es helfen keine Ausreden wie: die Kamera schafft es nicht oder die Blitzanlage ist zu schwach. Mag sein dass es im künstlerischen Aspekt hilfreich sein kann jedoch nicht in der Auftragsfotografie. Leider muss ich an dieser Stelle dem Thomas zustimmen, in den seltensten Fällen kann ein Profi kreativ werden außer er gehört zu den Top 10 der Welt, ansonsten ist die Wunschliste fast immer ähnlich „wie das Produkt der Konkurrenz aber noch besser und noch Perfekter“ es ist nun mal „nur“ mit kreativen Ideen nicht zu bewältigen denn der Inhalt ist fast immer vorgegeben. Wir sind doch nur Männer, wir möchten nun mal die Kamera derer Möglichkeiten wir niemals ausschöpfen besitzen sowie Frauen gerne Geländefahrzeuge auf der Autobahnwüste fahren nur um sich sicher zu füllen. 🙂

  13. Was mich am meisten wundert ist, weshalb diese doch relativ nahe liegenden Wahrheiten nicht schon längst gedruckt wurden.
    Jeder Fotograph kennt dieses Gefühl, dass er ‚technik-lastig‘ allem Neuen hinterher läuft, statt innezuhalten und über den eigenen Stil, die eigene Note, über das was er am Liebsten fotografieren würde, nachdenkt.

    Thomas kann ich nicht ganz zustimmen – auch bei Auftragsarbeiten sind Kreativität und eigener Stil gefragt.

    Das Vorwort ist gut geschrieben. Jetzt hoffe ich sehr, dass die restlichen Seiten meine hohen Erwartungen auch erfüllen. Seeing is believing …

  14. Noch ein kleiner Hinweis:
    Auf diese Seite kam ich durch den Hinweis in der Zeitschrift ‚fineart printer, Ausgabe 01/2010‘:
    18 (!!) Seiten technische Kaufberatung, 2 Seiten ‚wie man ein großartiger Fotograf wird‘ 😉

  15. unglaublich wie falsche hoffnungen bei möchtegernfotografen geweckt werden. hauptsache der umsatz beim verkauf der bücher stimmt. bei profifotografen werden die honorare gekürzt, die aufträge gehen zurück, unfähige und desinteressierte bildredakteure geben ihr bestes dazu.

  16. Wenn Lesemuffel in 2 Tagen dieses Buch „eingeatmet“ haben, ist das doch ein gutes Zeichen. Normalerweise schaffe ich nur eine Doppelseite (um 23:45…). Ich kann Martin Birkner nicht beipflichten. Format, Aufmachung und das „flexible“ Weichcover sind doch erfrischend und handlich. Wenn ich mir in meinem Regal die ganzen Hardcover in Designerschwarz-weiss (mit partieller Lackierung!) anschaue, fange ich an zu gähnen (und das als Innenarchi und Möchtegernfotograf).

  17. Habe das Buch in zwei großen Schnappern gelesen. Super, Teil 1 ist Pflicht für alle Möchtegerns und Techniecs aber dem Teil 2 fehlt der letzte Niedernagler, warum man denn plötzlich ein großartiger Photograf sei, wenn man in Projekten fotografiert und Klischees meidet. Auch der Übergang ist zu abrupt.
    Trotzdem, ein kneippscher (Aufwach-)Guss für alle Fotoclubvorsitzenden und Juroren. Ein muß, eigentlich für alle Fotofans.
    Tschüss mk

  18. den titel finde ich so lalala – besser wäre „erkläre mir die fotowelt band 1 von frau dr. metttner“