Der eigene Bildband

Ein Bildband mit den eigenen Fotos ist so lange ausschließlich eine wunderbare Art der Bildpräsentation, wie man die Auflage klein hält. Sucht man mit seiner Arbeit die Öffentlichkeit, investiert mithin ziemlich viel Geld in den Druck, sollte man vorzugsweise schon zu Beginn überlegen, wer das Buch kaufen würde. Und sich auch vorab mental rüsten, mit der Downside des Publizierens umzugehen: Mit negativen oder gar nicht erfolgenden Buchbesprechungen, mit großen Stapeln unverkaufter Bücher im Lager, mit dem Verramschen des guten Stückes zum Schleuderpreis. Das gehört nämlich auch alles zum Alltag des Autors, wird aber gerne verschwiegen. Lassen mich also ein paar sachdienliche Fragen stellen.

Wozu überhaupt einen Bildband veröffentlichen?

Dazu sollte man sich die Frage ehrlich beantworten, ob es nur um das Gefühl geht, etwas publiziert zu haben. Dazu würden nämlich 20 bis 50 Exemplare reichen, die man an Friends & Family oder an seine Kunden verteilt. Oder gibt es eine echte Nachfrage nach dem Inhalt/dem Künstler, die eine Auflage von 500 bis 2.000 Exemplaren rechtfertigt? Um die Menschen zu erreichen, die sich für den Inhalt interessieren, muss man sehr viel Arbeit investieren. Und zwar höchstselbst und möglichst lange andauernd. Es wäre ein Traum, wenn das der Verlag leisten könnte. Aber ein Verlag ist kein Grand Hotel mit dreimal so viel Personal wie Gästen.

Wozu dient der Bildband?

Vor der Digitalisierung war der Bildband wichtig zur Information. Wollte man beispielsweise in ein Land oder in eine Metropole reisen, schaute man in einen Bildband, um vorab etwas zu sehen. Heute guckt man sich bei Google Earth die Stadt ungeschönt an, und bei Airbnb wie die Leute dort wohnen. Bei YouTube gibt es zudem Videos, in denen man Details über Streetfood, Strand oder das Nachtleben vorab betrachten kann.

Vor der Digitalisierung brauchte man monografische Bildbände, um sich über die Arbeit eines Künstlers zu informieren, vor allem, weil man nicht alle Ausstellungen ansehen kann. Heute ist die Website des Fotografen das optimale Medium, Serien und Projekte zu präsentieren. Und wenn der Bildautor das richtig macht, indem er zu den Bildern Text verwendet, sorgt diese Website ganz von alleine für die Verbreitung der Arbeiten.

Wozu also zusätzlich einen Bildband gestalten? Okay, wegen des Ruhms. Ob die Veröffentlichung eines Bildbandes jene Anerkennung des Kulturbetriebs nach sich zieht, auf die man spekuliert, ist höchst unsicher. Das hängt davon ab wie interessant und originell das Bildmaterial ist sowie von dem Einsatz, den man hinter der Kamera und hinter dem Buch leistet.

Ganz sicher kann man vom Bildband als einer der wichtigen Präsentationsformen in der Fotografie ausgehen. Daher möchte ich diese nun näher beleuchten und hinsichtlich des Verwertungskontextes auf meinen immer noch gültigen Beitrag von 2009 verweisen.

Was ist beim Bildband als Präsentationsform ausschlaggebend?

Wenn also Information keine besondere Rolle mehr spielt, was bleibt dann übrig? Darüber machen sich leider viel zu wenig Buchproduzenten ernsthafte Gedanken. Gerade weil die traditionelle Hauptaufgabe entfällt, ist es umso wichtiger, dem Buch eine Binnenspannung zu geben, also an einer Dramaturgie zu feilen. Nun werden genau das die meisten Fotografen durchaus für sich in Anspruch nehmen. Aber leider, leider haben sie oftmals nicht an den Betrachter gedacht, der die Bilder ja zum ersten Mal sieht. Und meist kann der Erstbetrachter kaum etwas davon nachvollziehen, was dem Fotografen so selbstverständlich ist. Der Fotograf war dabei, als das Bild gemacht, nachbearbeitet und ausgewählt wurde. Dem Bildbandbetrachter fehlt diese Vertrautheit völlig. Er muss sich erst in eine fremde Bildwelt hineindenken.

Bildband Ruecken
Kann ein nackter Rücken beim Bildband entzücken? (Im Regal eher nicht.)

Soll es ein Buch werden, wäre es extrem hilfreich, wenn die Serie von vornherein ein überzeugendes Konzept hätte. Nimmt man die Präsentationsform Fotobuch ernst, muss es sich durch mehr auszeichnen als durch einen bedruckten Pappdeckel um die Bilder und einen Text von Klaus Honnef zur Einführung. Einzelbilder in bunter Reihenfolge – das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

1. Buchmodell Villa Kunterbunt

(„Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt …“) Hauptmerkmal des Editings: Statt den Betrachter durch ein Thema zu leiten, durchmischt der Fotograf das Bildmaterial, wahrscheinlich damit „Abwechslung“ entsteht. Klar, er kennt ja die Motive. Aber bei allen, die das Bildmaterial zum ersten Mal sehen, wird er eher Unverständnis erzeugen. Was will der Autor uns mit der Bildabfolge sagen? Besonders problematisch wird es, wenn beispielsweise zwei oder drei Motive, die sichtlich am gleichen Ort zu gleichen Lichtverhältnissen aufgenommen wurden, im Bildband verteilt werden.

Auf der einen Seite fordern die Bildautoren ein, man möge genau hinsehen und ihre Arbeit würdigen, auf der anderen halten sie dann den Betrachter für zu oberflächlich, als dass es ihm auffalle? Was ist das für eine seltsame Logik? Würde man die Motive nacheinander bringen oder als visuell spektakuläres Triptychon, hätte der Betrachter viel mehr Chancen, zu begreifen, was den Fotografen daran fasziniert hat oder worum es ihm dabei ging.

Aber Achtung: die Rede ist von zwei, maximal drei Motiven, nicht vom Modell:

2. Das Karussell

Eine Motivgruppe, endlos variiert. Das kann großartig werden, wenn es typologisch angelegt ist. Dem Betrachter erschließen sich dann über den Vergleich die minimalen Differenzen, die er sonst nicht sehen würde. Prominentes Beispiel sind die Industrie-Typologien der Bechers, aktueller die Typologien (Menschenaffen, Schulhöfe) von James Mollison. Da dreht man gerne noch einmal eine Runde, und guckt den Band wieder von vorne an.

Unfassbar langweilig sind hingegen Bücher, die auf diesen streng typologischen Ansatz verzichten und trotzdem Bilder aneinander reihen, bei denen das Motiv immer ähnlich aufgebaut ist. Viele Fotografen verwenden ganz intuitiv stets einen ähnlichen Bildaufbau. Wenn sie beim Bildbandlayout zudem gänzlich auf Überraschungen verzichten, wird es optisch langweilig. Oft auch geistig. Den Betrachter zu unterfordern ist gerade in der Kunst keine gute Idee. Warum sollte man einen Bildband kaufen, wenn er weder visuelles Vergnügen verspricht noch intellektuell fordert? Um den Fotografen zu ehren? Im Ernst? Das war im 19. und 20. Jahrhundert vielleicht noch so.

3. Talking Heads

Eine relativ häufig anzutreffende Form ist das Foto (meist ein Porträt) in Kombination mit einer Aussage des Porträtierten. Da fragt man sich natürlich zunächst kritisch, ob hier wenig aussagestarke Fotos mithilfe von Text aufgepäppelt werden sollen. Das muss nicht unbedingt so sein. Es kann sich um ein schwierig zu visualisierendes Thema handeln, wie bei „Phone Sex“ von Philip Toledano. Den Porträtierten sieht man ihre Tätigkeit nicht unbedingt an. Der Buchtitel wäre ein guter Hinweis zur Ausdeutung der Bilder. Durch die Interviewfragmente wird der journalistisch/dokumentarische Charakter betont und natürlich auch die Präsentationsform Buch gut genutzt.

Ein Buch verbindet man in erster Linie mit Text. Dass man auch Fotografien lesen kann, ist als Kulturpraktik leider nicht sehr entwickelt – was Fotografen häufig ignorieren.

Stand des renommierten amerikanischen Fotobuchverlags Aperture auf der Frankfurter Buchmesse.

Was beim eigenen Bildband ideal wäre

Die Buchform ernst genommen haben natürlich schon viele Fotografen. William Klein beispielsweise vor allem mit der Kombination aus Grafik und Schwarzweißbildern, die aus den Seiten den Betrachter anspringen. Robert Frank mit „The Americans“ ist sicher DAS prominente Beispiel, an dem sich bis heute Fotografen abarbeiten. Über mehr solcher spannender Fotografen-Bildbände schreibe ich in „Fotografie mit Leidenschaft“. (Das fällt nur deswegen nicht so direkt ins Auge, weil die Verlage tatsächlich untersagt haben, die Buchcover abzudrucken.)

Für die Präsentation im Buch gilt es eine eigene Form zu finden, die Bilder so zu sequenzieren, dass der Betrachter sich einen Reim auf Auswahl und Abfolge machen kann. Es sollte Überraschungen geben, wenn vielleicht auch nur auf der Layoutebene. Zum Beispiel wäre es abwechslungsreicher, wenn nicht jedes Bild rechts steht neben einer weißen Seite, sondern ab und an auch die linke Seite „bespielt“ wird. Zugleich sollte man natürlich darauf achten, dass Beispielsweise ein Grafiker nicht aus grafischen Gründen ausgerechnet die Abbildung eines detailreichen Motivs verkleinert. Für ein Thumbnail muss man gegebenenfalls ein plakativeres Bild finden. Die richtige Auswahl und Abfolge (gemeinsam) zu bestimmen, macht ja die Arbeit, aber auch die Freude aus.

Ein Plädoyer für die Bildunterschrift

Auch ist es leider eine verbreitete Unsitte, den Betrachter gerade bei komplexen Themen ganz ohne aussagestarke Bildunterschrift zu lassen. Selbst wenn ein Bild für sich sprechen kann, ergibt sich durch den Hinweis auf Ort und Umstände eventuell noch eine tiefere oder weitere Bedeutung. Das sollte man nicht außer Acht lassen.
Ob das Gelobhudel am Anfang des Buches jemand liest, sei einmal dahin gestellt, aber die Bildunterschriften werden immer gelesen, ganz automatisch. Es macht also Sinn, diesen Lesereflex für sich zu nutzen. Man könnte sogar so weit gehen, in den Bildunterschriften etwas zu behaupten, das durch das Motiv selbst gar nicht gedeckt wird – einfach um den Betrachter zum Nachdenken über die Glaubwürdigkeit von Fotografie anzuregen oder um auf etwas außerhalb des Bildausschnitts zu verweisen.

Auch nicht vergessen werden sollten die biografischen Angaben oder überhaupt Wissenswertes zum Fotografen. Solch ein Buch ist auch eine Maßnahme der Eigenwerbung. Meist sogar in erster Linie. Daher sollte man dazu stehen und sich als Bildautor vorstellen.


Fragen Sie gerne nach einer persönlichen Beratung für Ihr Projekt – je früher desto besser kann ich Sie unterstützen und ermutigen, das Optimale zu erreichen.

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