Die Entwertung der Fotografie aufhalten

Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird, ist: Reicht das PDF als Portfolio? Viele Fotografen finden es inzwischen überflüssig, ihre Arbeiten ausgedruckt zu präsentieren. Heute telefonierte ich mit Mario Andreya, der seine nächste Präsentation beim Business-Kunden auf einem Apple iPad vornehmen wird. Das kommt sicherlich gut an. Es ist neu und garantiert dem Fotografen allein deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit. Der Kunde wird ihn als ersten Fotografen buchen, der seine Fotos auf dem iPad gezeigt hat. Zudem: Viele Männer lieben (technisches) Spielzeug. Aber wird sich der Unternehmer auch an Mario Andreyas Fotos erinnern? Und wie gut funktioniert das, wenn ein Tablett-PC „normal“ und nicht mehr neu ist?

Durch den Datensatz erscheint das Foto selbst beliebig. Das ist das Grundübel des Digitalen. Es macht keinen Unterschied mehr, ob man ein Foto von sich zeigt oder aus einer Bildagentur. Es sieht auf jedem Display tendenziell gleich technisch aus. Es ist auch keine individuelle Präsentation möglich, bei der Format, Oberfläche und Verpackung variieren. Jeder hat schon einmal ein Geschenk ausgepackt. Ist da nicht die schöne Verpackung verheißungsvoll? Sie steigert die Vorfreude, die Erwartung. Das Verpackte selbst ist vielleicht gar nicht wertvoll, wird aber durch Seidenpapier und Stoffschleife als etwas Besonderes inszeniert. Der Auspackende wird eingestimmt auf das, was kommt, konzentriert sich, erwartet etwas, das für ihn oder sie ausgewählt wurde.

Seine Fotos nur noch digital zu zeigen heißt auch, auf diese Inszenierung der eigenen Arbeiten als etwas Besonderes zu verzichten. Sie sind alltäglich, überall und jederzeit verfügbar. Das mindert, vor allem langfristig, den Wert dessen, was mit Mühe, Aufwand und kreativer Energie entstand. Es ist dem Kunden zunehmend schwer zu vermitteln, warum er beträchtliche Summen für etwas bezahlen soll, das so leicht verfügbar erscheint – und so risikolos herzustellen ist. Früher konnte noch beim Entwickeln etwas schief gehen und alle waren erleichtert, wenn die Aufnahmen korrekt belichtet und entwickelt auf dem Tisch lagen. Heute weiß der Kunde oft schon beim Shoot wie das fertige Foto aussehen wird.

Die Präsentation ist das, was dem Fotografen bleibt, um den Wert seiner Arbeit zu visualisieren.  Die umwerfende Wirkung des Gedruckten kann man leicht überprüfen, indem man ein Foto aus dem Portfolio printet und mit einem weißen Passepartout gerahmt an die Wand hängt. Zweifellos wäre es übertrieben, geradezu albern, mit Werbe- oder Produktfotos in Passepartouts beim Kunden zu erscheinen, ganz so, als sei die Firma oder Agentur eine Kunstgalerie. Aber man sollte gerade jetzt, wo kaum noch jemand weiß, wie sich ein Foto anfühlen kann (ich sage nur: Hahnemühle Photo Rag 308 g oder Hahnemühle FineArt Baryta) durchaus den Wert der eigenen Tätigkeit durch das Präsentieren von schön gedruckten Arbeitsbeispielen unterstreichen.

Dabei sind verschiedene Verpackungen denkbar, vom säurefreien Archivkarton oder einer schönen Präsentationskiste für lose Fotos bis hin zu gedruckten Büchern. Halten Sie stets saubere, weiße Baumwollhandschuhe bereit, die Sie diskret dazu legen, so dass der Kunde zumindest ein schlechtes Gewissen hat, wenn er die feinen Prints mit seinen Schwitzfingern anfasst.

Der Entwertung fotografischer Arbeit muss man nicht tatenlos zusehen. Es gibt einige Möglichkeiten, dem etwas entgegenzusetzen. Ganz sicher sollte man nicht das tun, was alle machen oder was am leichtesten ist. Wenn man denkt, die eigenen Fotos seien etwas Besonderes, dann sollte man das durch die Präsentation vermitteln und Fotos zeigen statt nur Daten.