Die Fotografie wird weiblicher

„Trends in der Bildsprache“ lautet gerne der Wunsch an mich, einen Vortrag zu halten. Ich weiß nicht, was Bildsprache genau sein soll. Sie? Ich halte das für ein Ersatzwort: Es wird meist benutzt, wenn man nicht weiß, wie man es präzise ausdrücken soll. Oft ist damit einfach eine Aufnahmetechnik gemeint, manchmal ein Postproduction-Look. Wenn schon, müsste „Bildsprache“ etwas viel Umfassenderes bezeichnen. In diesem Sinne könnte man sicherlich feststellen, dass es einen Trend zu einer weiblicheren Bildsprache gibt. Der existiert völlig unabhängig vom Geschlecht des Fotografierenden. Aber da heute, am 8. März, Weltfrauentag ist, liegt mir daran, Fotografinnen zu ermutigen, die innere Prinzessin, Dekorateurin, Modedesignerin, Tier- und Pflanzenliebhaberin oder Mutti von der Leine zu lassen. Und überhaupt jedem zuzurufen: Orientiert euch nicht mehr an der Werbefotografie der Neunziger! Plastik-Looks und Werberkategorien auf der Website (Fashion, People, Transportation) sind so was von langweilig und passé! Es gibt neue Bereiche, neue Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Legt los! Es wird Frühling!

Maloja Screenshot
Maloja Screenshot

Die Welt ist hart. In der fotografischen Idealwelt wird in klarer Bergluft gecampt und puristisch hell gewohnt.

Stets neugierig, beobachte ich die Trends, die sich beispielsweise im Zeitschriftenmarkt abzeichnen. Magazine werden verspielter, haptischer, als Gegengewicht zum Lesen am Display. Einer der Trendsetter ist das Indie „Travel & Lifestyle“ Magazin CEREAL aus Großbritannien. In Deutschlands Großverlagen werden Magazine entwickelt, die verschiedene Papiersorten enthalten sowie Kärtchen zum Heraustrennen und weitere Bastelangebote. Auch inhaltlich wird zunehmend eine Runde Kakao am Lagerfeuer ausgeschenkt. Parallel ist Mode ein verwandter Ausdruck gesellschaftlicher Trends. Und der heißt „weich“. Stoffe werden weicher, Kleidung fällt wieder lockerer, selbst bei Schuhen sind bequeme Sneakers stärker im Trend als spitze Stöckel. Optische Trends finden sich beim H+M-Ableger „& other Stories„. Eine aktuelle Kampagne fotografierte Stephen Shore (67, einer der ersten künstlerischen Farbfotografen) mit den Töchtern von Meryl Streep. Führend im Outdoorbereich hinsichtlich der Anmutung ist das Label Maloja: ein zeitgenössisches Look & Feel, das so viel weicher und weiblicher geworden ist. Wobei das keine Geschlechterdifferenzierung meint. Auch die Maloja-Kampagne wird von Männern fotografiert, von den KME-Studios in Rosenheim. Es geht darum, dass sich auf der Ausdrucksebene neben hart und glatt (z. B. Modefotografie mit Schlagschatten) nun vermehrt weich und zart als Alternative durchsetzt. Weil Achtsamkeit und Nachhaltigkeit eben ihren optischen Ausdruck nicht in stark angeblitzten Szenerien finden, sondern eher in der Nahansicht eines fragilen Wiesenblümchens oder eines Naturpanoramas im Morgengrauen. Übrigens keineswegs in den gesättigten Farben der traditionellen Naturfotografie, sondern zarter, weicher, entsättigter, unaufgeregter vor allem. „Outdoor Lifestyle“ heißt das Stichwort. Fotografinnen mit Sportsgeist und körperlicher Fitness (die man braucht, um in den Bergen zu shooten!) oder solche mit Deko-Talent sind hier ganz klar gefragt, sich dieses bewußt zu machen und karrieretechnisch zur Geltung zu bringen.
(Ex-)Hochzeitsfotografinnen und -Fotografen sind da aus meiner Sicht durchaus für diese kommerzielle Weiterentwicklung gut vorbereitet, wenn sie sich intensiv mit dem befasst haben, was bei der Hochzeitsfotografie wesentlich ist: Eine für einen Tag vollkommen idealisierte Welt ins Bild zu rücken. Viel Erfolg!