Land-Magazine sind der Trend

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Klingt nach Kochen in Kittelschürze, es geht aber um den am schnellsten wachsenden Sektor im Print-Bereich. Da ist Food drin, Reportage, Still life, Porträt, Natur und Architektur – was will man mehr als Fotograf?

Vorreiter des Trends ist das Magazin LandLust aus dem Landswirtschaftsverlag in Münster, das bereits im ersten Erscheinungsjahr, im 3. Quartal 2006, die beachtliche Auflage von 76.416 Exemplaren verkaufte, und das im 2. Quartal 2009 auf sensationelle 464.297 verkaufte Exemplare kam. (Zum Vergleich: Das länger bestehende Gruner und Jahr-Magazin „Living at Home“ hat eine verkaufte Auflage von 162.481)*

living Gerade wenn man (wie ich, leider) so oft vom Sterben des Magazins als klassischer Auftragsquelle für Fotografen spricht, ist das endlich einmal eine gute Nachricht. Und wo ein erfolgreiches Magazin ist, lässt ein zweites nicht lange auf sich warten. Ebenfalls aus einem kleinen Verlag, diesmal aus Stuttgart, stammt LiebesLand, vom Verleger Hannes Scholten persönlich redigiert. Es kommt derzeit auf satte 51.620 verkaufte Hefte.
Anfang August trat nun der erste der großen Verlage auf den Plan. Der zur WAZ-Gruppe gehörende Gong-Verlag ließ LandIdee als Startballon los, um den Markt zu testen. Derzeit ist noch nicht entschieden, ob das Magazin weiter erscheinen wird. Die Null-Nummer wurde von einem externen Redaktionsbüro produziert, unterscheidet sich aber wenig von den anderen Magazinen – mit einer Ausnahme. An LandIdee ist der Christian Verlag beteiligt, der darin eine gute Möglichkeit sieht, seine Bildbände zu promoten. Im aktuellen Heft wird ausführlich ein Wildkräuter-Buch ausgeschlachtet und eines über alte Badewannen. Kostet halt nichts extra und füllt einige der 130 Heftseiten.
landleben_webUnd damit noch kein Ende: Für den 3. September 2009 hat der IPM Verlag aus München „Landleben“ angekündigt, das stolze 5 Euro kosten soll, während sich die Copy-Preise der Mitbewerber zwischen 3,30 und 4 Euro bewegen. Immerhin hört der IPM Verlag mit dem hässlichen Unsinn der typografisch zweigeteilten Zeitschriftentitel auf, was bisher alle anderen von der LandLust übernommen haben. Und die sinnfreie Unterzeile ist hoffentlich noch Blindtext.

Gummistiefel oder Landlook?

Faszinierend ist (neben den potenziellen Publikationsmöglichkeiten) vor allem, dass sich eine neue Art von Magazin etabliert. Land hieß nämlich bis vor kurzem noch „Country“, wie das gleichnamige Magazin des Jahreszeiten Verlags (73.814 verk. Ex.), das zwar auch praktische Beiträge enthält, sich aber an Städter richtet, für die sich das Landleben im Ferienhaus auf Mallorca oder in der Bretagne abspielt. Und dann noch möglichst in Häusern, die von professionellen Innenarchitekten eingerichtet werden und bei denen Geld keine Rolle spielt. Das gilt mehr oder minder auch für einige andere Magazine, zum Beispiel „Wohnen und Garten“ aus dem Hause Burda (siehe ganz unten).

Und nun trumpft die Gummistiefelfraktion auf! Das hat, so viel ist klar, auch eine Menge mit der Veränderung unserer Werte zu tun. Nachhaltigkeit ist ein Stichwort, und dass man gerne mal beim Bauern direkt kauft.

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Das Landmagazin neuer Art gibt es seit drei Jahren, so lange, wie auch ich auf dem Land wohne. Da darf ich mich wohl als Trendsetter fühlen!? Gartentipps sind für das frische Landei willkommene Anregung und über die Haltung von Hühnern kann man ja zumindest mal etwas lesen. Gerade, wenn man sich überlegt, was diese Magazine eigentlich ausmacht, dann ist es vielmehr eine Stimmung und der Unterhaltungsaspekt, als dass man nun wirklich selbst im Mai Brombeerblätter ernten würde, um damit im Winter einen Hustentee zu brauen. Die Brücke zu schlagen zwischen jungen Eltern, die sich Gedanken darum machen, was ihre Kleinen essen und wo sie spielen, über die Städter, die ins Grüne ziehen, bis hin zur klassischen Landfrau, die eher einen, nennen wir es „rustikalen“ Umgang mit Vieh und Pflanze pflegt, ist neu und bemerkenswert.

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Welche Chancen bieten sich Fotografen und Fotografinnen, die passende Themen anbieten können? Ute Frieling-Huchzermeyer, Chefredakteurin des Marktführers LandLust, sagt:

Wichtig ist uns, dass die Fotografen die Bildsprache der LandLust treffen, also ein Auge haben für unsere Motive, die zum Teil im Verborgenen liegen, und diese durch einen besonderen Blickwinkel ausdrucksstark in Szene setzen. Derzeit arbeiten wir mit etwa 10 Freien intensiv und regelmäßig zusammen. Daneben nutzen wir auch Bildmaterial aus Agenturen. Die Bildauswahl treffen wir dabei nach den gleichen Kriterien. Dennoch ist Landlust bestrebt, möglichst viele Beiträge authentisch und exklusiv zu bebildern.

Es besteht die Möglichkeit, Themen vorzuschlagen, man sollte jedoch beachten, dass immer Geschichten präsentiert werden, mithin die Fotos alleine nicht reichen könnten. Zudem passt zu LandLust das Natürliche und Ursprüngliche, daher

legen (wir) keinen Wert auf eine ausgefeilte technische Bildbearbeitung, die zuweilen zu Lasten der authentischen und lebendigen Wirkung des Bildes geht.

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Layoutbeispiel LandLust

Der Verleger und Chefredakteur von LiebesLand, Hannes Scholten, gibt auf die Frage, wie viel Material aus Bildagenturen verwendet wird, 35 bis 45 Prozent an.

Reportagen zum Beispiel werden von „unseren“ Stammfotografinnen/grafen fotografiert, die ja auch mit journalistischem Blick ausgestattet und gemeinsam mit den schreibenden Kolleginnen/Kollegen unterwegs sind. Für kleinere Dekorationen oder bei speziellen Artikeln (Beispiel: Blumen) bedienen wir uns vorwiegend aus Datenbanken.

Auf die Frage, wie denn die Bildsprache in einem Stichwort zu charakterisieren sei, antwortete er:

Es sind mehrere: originell, eigenständig, Sinnenfreude, Seelenfutter … und informativ. Wir wollen in den Artikeln und den dazugehörigen Fotos kein inhaltloses Geplänkel liefern. Die beiden Schemata „Information“ und „Unterhaltung“ bei Geschichten oder Fotos sind keine Widersprüche, sondern bedingen einander. Gute Information unterhält immer, gute Unterhaltung informiert immer. Wenn nicht, ist es Fernsehen.

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Layoutbeispiel LiebesLand

Da das weitere Erscheinen von LandIdee noch nicht beschlossen ist, waren entsprechend keine Stellungnahmen zum optischen Konzept zu erhalten. Ohnehin war der AD in Urlaub und in einem fünfminütigen Gespräch mit der stellvertretenden Chefredakteurin wurde mir ausschließlich erklärt, dass man nichts sagen könne, sondern ich mich an die Pressestelle der WAZ-Gruppe zu wenden habe. Deshalb kann ich nur aus der Pressemitteilung zitieren, die bildlich gesprochen unterm Tisch der Gummistiefelriege vor die Schienbeine tritt, und sich abheben will, was sie faktisch nicht tut:

LandIdee richtet sich jedoch nicht primär an die Kernleser der bisher in diesem Themenfeld erscheinenden Magazine, die sich vorrangig auf eine ländliche Leserschaft ausgerichtet haben. „In unserem Heft sollen sich Leserinnen und Leser, die Platz für einen großen Garten haben, genauso kompetent beraten und informiert fühlen wie Städter, die ihre Einkäufe unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten tätigen“, sagt LandIdee-Chefredakteurin Sandra Schönbein. „Deshalb setzen wir neben den klassischen Themen wie Garten, Dekoration und Rezepte insbesondere auf das Aufspüren und Vermitteln alten Wissens über den Umgang mit der Tier- und Pflanzenwelt und mit sich selbst. Beim Lesen des Hefts sollen die Leser genauso viele Ideen und Inspirationen erhalten, wie bei einem Spaziergang durch die Natur.

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Auch in der Werbung für Mode wird’s ländlich. Anzeige in der September-Elle

Für Fotografierende bedeutet dieser Trend einerseits, dass schöne Fotos gefragt sind, deren Ideen aus dem persönlichen Erleben stammen können – oder aus einer journalistischen Recherche. Auch wer in erster Linie für den Stockbereich arbeitet, findet hier viel Betätigungsfeld. Bevor man sich überhaupt an eine Redaktion wendet, sollte man sich die Magazine genau angesehen und auch einmal einen Beitrag gelesen haben, um ein Gefühl zu bekommen, wie und ob man mit seiner Art zu fotografieren oder zu schreiben überhaupt reinpassen würde. Einem Städter dürfte es ziemlich schwer fallen, ein wirkliches Gefühl für die Besonderheiten des Lebens in der Natur umzusetzen. Bei Themenvorschlägen sollte man unbedingt die langen Vorlaufzeiten der Magazine berücksichtigen. Weihnachtsthemen muss man im Frühsommer vorschlagen und Osterthemen werden im Winter vorgeplant. Praktischerweise ist das ja jedes Jahr gleich! Bei dem Wettbewerb, der sich breit macht, wird zu den Lieblingsthemen Streuobstwiese, Holunderblüten und Wetterprognosen sicher auch immer wieder Neues gesucht werden.

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Layoutbeispiel Wohnen und Garten, Burda

* Wie findet man raus, welche Auflage ein Magazin hat? Die Auflage wird von der IVW geprüft, wobei der Verlag die Zahlen liefert. Man findet diese Zahlen auf der Webseite des Verlags/Magazins meist in der kleingedruckten Navigation am Seitenende unter Inserenten/Media und guckt in den Mediadaten unter Auflage/Rechweite. Alternativ kann man sich auch bei ivw.de registrieren und hat Zugriff auf die Zahlen aller IVW-geprüften Publikationen.

Tipp: Im zu den Mediadaten gehörigen Redaktionsplan kann man entnehmen, welche Themen für die nächste Zeit ungefähr geplant sind oder für die bereits erschienen Ausgaben des Jahres bearbeitet wurden, und seine Vorschläge danach richten.

Aktualisierung am 30. Juni 2010: Ein Jahr später berichtet die NZZ, wie sich dieser Markt weiter entwickelt hat.

6 Antworten

  1. Eigentlich nicht sooo erstaunlich, wenn man sich den Erfolg von Manufactum in Deutschland oder Nature & Découvertes in Frankreich vergegenwärtigt. Es scheint derzeit einen (schon lange anhaltenden) Trend zur Bewahrung einer Lebensweise zu geben, die mit folgenden Werten verbunden ist: Familie, Natur, Gesundheit, Beständigkeit, Selbstversorgung, Rückzug ins Private. Landlust bietet das perfekt.

    Beobachtung am Rande: Ich kann mich nicht erinnern, dass sich meine inzwischen auf die 70 zugehenden Eltern jemals über das Tageszeitungs-Abo hinaus eine Zeitschrift geleistet hätten. Jetzt haben sie zwei mal in Folge „Landlust“ gekauft… Ich habe die Zeitschriften durchgeblättert und fühlte mich stark an die B2C-Magazine von Bausparkassen erinnert. „Landlust“ ist insofern zum Gähnen langweilig, als dass dieses Magazin weder eine Meinung oder Haltung hat, noch Informationen liefert, sondern nur „Stimmungsbilder“ heraufbeschwört, in denen sich die Wünsche und Wertvorstellungen der Leserschaft spiegeln.

    Der wahre Freund des Landlebens liest natürlich top agrar 😉

    Davon abgesehen: Für Fotografen natürlich ein interessanter Markt…!

    Freundliche Grüße

    HG

  2. Na ich würde mal tippen, dass der Kommentator vor mir auch in die Kiste Spam gehört 😉

    Interessanter Artikel, Martina – und stimmt, auch mal ne positive Entwicklung im Printbereich. Werde mir bei nächster Gelegenheit mal so ein Blättchen mit auf die Couch nehmen, mal schaun, was das so hergibt.

    Schönen Samstag noch!

  3. Wenn sich, wie oben kolportiert, 35-45 Prozent des Bildmateriales auf die ‚Billige‘ aus Bildagenturen rekrutiert, kann es mit der Authentizität des ländlichen Lebens ja nicht weit her sein. Sorry, musste sein 🙂

    Beste Grüsse aus dem ländlichen Österreich,
    Reini

  4. Zur Authenzität kann ich nur soviel sagen : Wir fahren tatsächlich raus zu den Menshen und sprechen mit Ihnen.
    Die Resonanz auf unser Heft (Landlust) ist durchweg positiv.
    Und manchmal finde ich meine Bildsprache in den anderen Heften kopiert. Wa mich zum einen ehrt , zum anderen aber manchmal auch ärgert. Gespannt bin ich jetzt auf die „Landleben“

    Andrea Schneider
    Freie Fotografin bei Landlust 🙂