Mein Jahresrückblick 2014

Das öffentliche Jahr 2014 fing für mich erst mit der photokina an, vorher habe ich an meinem Buch „Fotopraxis mit Perspektive“ gearbeitet und kann mich an nichts erinnern. Doch an eines: Die Multichannel-Präsenz habe ich ausgebaut und seitdem einen eigenen Fotofeinkost-Kanal bei YouTube. Bei jedem Beitrag, den ich selbst fertige, mache ich zwischendrin eine Herren-Boutique in Wuppertal auf. Irgendwann habe ich es dann so oft versucht, dass ich bereitwillig jeden Gedanken an Perfektion fallen lasse. Da ich laufend Fotografinnen rate, mutiger zu werden, will ich selbst nicht feige sein und überwinde mich, das eigene Selbst im Bild anzugucken. (Warum sich Selfies – oft gar mit Stöckchen! – als Seuche 2014 weiter ausbreiten konnten, bleibt mir ein Rätsel.) Außerdem: Das bewegte oder Filmbild kommt, daran geht kein Weg vorbei. Und erst, wenn man es selbst probiert, merkt man, wie aufwändig das kleinste Bisschen wird. Allein bis ich das richtige Mikrophon für mich gefunden hatte! Kombiniert mit der erschütternden Wahrheit, dass der Ton beim Video wichtiger ist als das Bild. Schlechter Ton ist nämlich deutlich unerträglicher als jede optische Entgleisung.

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Testbild zu einem Video, das nie fertig wurde. Vielleicht versuche ich es 2015 noch einmal.

Am 3. Oktober saß ich mit dem Mikro verkabelt im Garten und wollte ein Video zur Beratung drehen. Ich sagte so launige Sachen wie: „Und machen Sie es wie der Fächerahorn, der gerade seine Blätter färbt, sorgen Sie immer wieder neu für Aufmerksamkeit.“ Dabei wurde mir das Fehlen eines Teleprompters samt Spiegel schmerzlich bewußt. Bei jedem Take hatte ich entweder einen Teil dessen ausgelassen, was ich sagen wollte, oder eine figurungünstige Haltung eingenommen. Jedenfalls: Am nächsten Tag und an den folgenden zehn lag ich mit einem grippalen Infekt darnieder. Und danach hatte der Fächerahorn keine Blätter mehr!

Zwischen meinen beiden Vorträgen im Professionals Forum der Photokina war ich in Amsterdam zur Unseen (Beitragsbild). Super Wetter, super Stimmung, tolle Veranstaltung. Aber wegen der ausgestellten Fotos würde ich dort vermutlich nicht hinfahren. Es gab nur wenige Arbeiten, die mich überzeugten. Gerade im Kunstbereich geht es ja mehr um das Objekthafte im Moment als um das, was da als Objekt präsentiert wird. Das meiste ist mir zu beliebig oder zu verschwurbelt. Ich hätte es gerne zeitgemäß, aussagestark, aber nicht total introvertiert und kontextbezogen.

So ähnlich ist es auch bei den Bildbänden. Da gibt es wieder eine Jahresliste mit Büchern. Sie werden von Fotoprominenten ausgewählt, die primär englischsprachig erschienene Titel zur Kenntnis nehmen. Als ich Martin Parr sinngemäß fragte, ob er deutschsprachige Bücher lese, wies er das zurück, als hätte ich etwas Unanständiges gefragt. Zumindest unterstellt man, dass die jurierenden Fotografinnen und Fotografen sich die nominierten Titel tatsächlich angesehen haben. Beim Deutschen Fotobuchpreis kann man diesbezüglich schon aufgrund der Masse der kostenpflichtig eingereichten Titel eher Zweifel hegen. Und warum werden hierzulande Bücher wie die von Jacqueline Hassink oder von Dirk Brömmel als „Coffee Table Books“ denunziert?

Das aus meiner Sicht beste Fotobuch des Jahres kommt in keiner der Listen vor: Olaf Otto Becker: „Reading the Landscape“. Lars Nickel nicht zu vergessen, der mit seinem Bildband 2014 ein super Beispiel ablieferte für die selbstbewußte Symbiose zwischen Broterwerb und fotografischem Können. Das ist die aktuelle Berliner Ergänzung zu den Beispielen in meinem Buch „Fotografie mit Leidenschaft“ Corey Arnold (Fischer/Fotograf) und Margarita Broich (Schauspielerin/Fotografin). Mehr von solchen Kombis wäre wunderbar.

Erfolge von Fotografen, die gelegentlich auf meinen Rat hören, gibt es auch. Zwei kann ich vermelden, ohne indiskret zu sein. Ekkehart Keintzel stelle ich u.a. in meinem Buch „Fotopraxis mit Perspektive“ vor. Er hatte inzwischen mit seiner Arbeit über Gated Communities in Istanbul eine viel besuchte Ausstellung während des Monats der Fotografie in Berlin, seine erste. Die durfte ich mit einer Ansprache eröffnen.

Bei den International Photography Awards wurden 27.000 Arbeiten aus 104 Ländern  eingereicht. Yannik Wegner schickte seine Abschlussarbeit, ein Zeitraffer-Video über den Bahnhof Liège-Guillemins, in der Kategorie „Moving Image“ ein. Diese Kategorie unterteilt sich noch einmal in „professional“ und „non-professional“. Die Arbeit wurde bei „non-professional“ mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Damit nicht genug, verpasste Yannik Wegner seinen ersten beruflichen „Moment of Glory“. Bescheiden wie er ist, hatte er nicht damit gerechnet und war mit Freunden in Urlaub gefahren. Alle insgesamt sieben Finalisten aus der Kategorie „Moving Image“ hatten nämlich bei den Lucie Awards die Aussicht auf den Titel „Moving Image Photographer of the Year“, welcher mit 2500 US$ dotiert ist und ihm (in Abwesenheit!) am 2. November 2014 in der Carnegie Hall in New York City zuerkannt wurde. Knaller, oder? Er hätte mit Martin Parr, Nan Goldin und Nick Ut auf der Bühne stehen können. Hier bis nach unten scrollen!

Gehören Sie auch noch zu jenen, die denken, Fotografie müsse ihre Kernkompetenz sein und die eigene Website sowie Internetpräsenz auf anderen Kanälen seien ein lästiges Übel? Eines, das man vernachlässigen könne? Dann gucken Sie bitte auf diese Website und nehmen sich für 2015 fest vor, im Netz sichtbar zu werden.

Aussicht 2015

Begleitend zum neuen Buch biete ich neben der Einzelberatung 2015 die Möglichkeit an, ein erstes eigenes Fotoprojekt zu entwickeln. Dieser Langzeitworkshop richtet sich jene, die ihre fotografischen Aktivitäten ausbauen und professionalisieren wollen, jedoch ohne kommerzielle Absichten arbeiten. Wer mit der Fotografie Geld verdient, denkt bitte an die Änderungen bei der Künstlersozialkasse. Ab 2015 sind Sie abgabepflichtig, wenn Sie an eine dort versicherte Person, einen selbstständigen Kreativen, mehr als 450 Euro pro Jahr bezahlen!
In meinem Horoskop stand neulich, ich solle mich um meine Kamera kümmern. In Wirklichkeit stand da „Karma“, aber ich las: „Kamera“, und begebe mich daher zum Jahreswechsel mit meinen Kameras auf eine Reise, über die ich vermutlich noch berichten werde. Apropos Karma: Das heißt übrigens „Wirken, Tat“. Mein Tipp für 2015: Jetzt wirken – und nicht auf die Wiedergeburt als Starfotograf/in warten!

Fermer-la-porte
Magnum Photos Paris. Abgebildetes Motiv von Bruce Gilden.

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