Thomas Sandberg: Erinnerung an Ahrenshoop

Bildbände werden in der Regel aus zwei Gründen gekauft: Man kennt den Namen des Fotografen oder man kann mit dem Ort, um den es geht, etwas anfangen. Vom Leiter der Ostkreuzschule für Fotografie und international tätigen Magazinfotografen Thomas Sandberg könnte man Arbeiten gesehen haben und vom Künstlerort Ahrenshoop an der Ostsee (Werbeslogan: Ein Ort wie gemalt), könnte man gehört oder ihn besucht haben. Doch selbst wenn beides nicht zutrifft: Dieser Bildband ist so viel mehr. Ein Kauftipp in jedem Fall, vor allem die Ausgabe mit dem beigelegten Foto der drei Hühner.

Der Schatten des Fotografen und drei Hühner im Kornfeld.
Das Haus des Großvaters, Büdnerei 56
Bauernhof Voß in Althagen
Das erste Bild im Buch: Kopfweiden in Niehagen

„Erinnerung an Ahrenshoop“ zeigt, wie „Lokalkolorit“ idealtypisch aussehen kann und optimal in Form gebracht wird. Es ist eines der seltenen Bücher, das voller Gefühl ist, ohne sentimental zu sein, und das persönliche Erinnerungen zu verallgemeinern weiß. Hätte man nicht auch gerne einen Großvater gehabt, der Kapellmeister ist und 1957 ein um 1815 gebautes Ferienhaus von einem Kapitän kauft? Wäre man nicht auch gerne jeden Sommer wieder dorthin gefahren, um am Hafen zu stehen und zu angeln? Betrachtet man die Bilder, ist man für einen Moment in ein Leben versetzt, das man selbst nie geführt hat. Ganz so, wie man in die Welt eines Romans eintauchen kann.

„Mit Anfang dreißig fing ich an, in Ahrenshoop zu fotografieren“, schreibt Thomas Sandberg. Das war von 1984 bis 1987. „Alles veränderte sich nun vor meinen Augen so schnell, dass mir jedes Detail wert schien, fotografiert zu werden. Wenn du den Lauf der Zeit nicht stoppen kannst, dann mache wenigstens ein Bild davon, ist das simple Credo eines Fotografen.“ Doch warum veröffentlicht er die Arbeit erst jetzt? Auf meine Frage antwortete er so etwas wie: Weil jetzt der richtige Zeitpunkt war. Er brauchte sicherlich den Abstand, um beurteilen zu können, wie die Fotografien im Buch eine sinnvolle, allgemein verständliche Sequenz ergeben. Damit es angesichts des Ortes nicht zu pittoresk wird, kommen auch Motive vor wie ein Trabi, über dem so halb das Segel eines Windsurfbretts liegt, das selbst schwarzweiß noch schreit: Ich bin modern, ich bin orangefarben. „Philipp mit Walkman“ ist ebenfalls charakteristisch für die Achtziger, steht aber zugleich symbolisch für das älter gewordene Kind vom Foto mit den Kopfweiden. Für den Fotografen sind es bildgewordene Erinnerungen an seine „Kindheit und Jugend in Ostdeutschland. Eine Zeit, die einem damals ewig erschien“.

Vermutlich wäre dieser schwarzweiße Erinnerungsschatz ungehoben geblieben, wenn das Publizieren von Büchern noch von Verlagen reglementiert würde. Die künstlerische Freiheit, die Thomas Sandberg mit seinem Buch nutzt, bildet eine weitere Sinnebene in dieser gelungenen Publikation im Selbstverlag.

Thomas Sandberg: Erinnerung an Ahrenshoop, Format 24cm x 21cm, 132 Seiten, 67 Abbildungen, Leineneinband mit Schutzumschlag, 30,00 Euro (kostenloser Versand innerhalb Deutschlands).

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